» Hervorragendes Lösungsmittel «

27. Juni 2019

Thomas Dettmann berichtet an der PGS von seiner Sucht-Karriere
DASSEL.
»Hätte ich weiter gesoffen, würde ich heute hier nicht stehen« - diese Bilanz zog Thomas Dettmann vor dem achten Jahrgang der Paul-Gerhardt-Schule. Er hat im Rahmen des Präventionskonzepts auf Einladung der Schulsozialarbeiterinnen Doris Garbelmann und Sabrina-Wende-Schmidt die Schule besucht und aus seinem Leben berichtet. Ziel des Suchtberaters ist die Entstigmatisierung der Sucht.
Sein Leben schilderte er als »Achterbahnfahrt«. Den ersten Schritt hin zur »Trinkerkarriere« unternahm der heute 69-Jährige bei seiner Konfirmation, als er erste schlechte Erfahrungen mit Alkohol machte. In seiner Jugendzeit war er sportlich aktiv, nach gewonnenen und auch nach verlorenen Spielen wurde getrunken. Beruflich hatte er festen Boden unter den Füßen, doch der Alkohol spielte eine immer größere Rolle in seinem Leben. »Meine Freunde waren Jim Beam, Johnnie Walker, Frau Dornfelder und Einbecker Pils.«
Seinen Weg in die Sucht beschrieb er als schleichend. »Sucht hat immer eine Geschichte.« Alkohol, warnte er, sei er eine gesellschaftlich akzeptierte Droge. Er warnte eindrücklich vor den körperlichen Folgen, die der Konsum mit sich bringt. 30 Milliarden für das Gesundheitssystem wären die Folgen. Dem gegenüber ständen nur 3,3 Millionen Steuereinnahmen durch den Alkohol. 70.000 Menschen würden jährlich an den Folgen des »Alkohol-Genusses« sterben. Sechs bis acht Prozent der Bevölkerung hätten Alkoholprobleme, in den »Führungsetagen« sei diese Zahl noch höher, erzählte er.
»Ich war nicht ehrlich«, beschreibt Dettmann sein Verhalten. Mit Lügen habe er versucht die Krankheit zu verbergen- ebenso täten es die Co-Abhängigen. Insgesamt, rechnet er, habe er den Wert eines Einfamilienhauses »versoffen«. Alkohol bezeichnete er als »hervorragendes Lösungsmittel«, es löse Familie, Arbeit, Freunde (auf). Alkohol sei keine Antwort, unterstrich er.
Irgendwann hat sein Körper rebelliert, er war wirtschaftlich am Ende, hatte gescheiterte Beziehungen hinter sich und den Führerschein verloren - seelisch und körperlich völlig am Ende hat er therapeutische Hilfe gesucht, sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen. Mittlerweile ist Dettmann seit 29 Jahren »trocken«.
Ohne Moralapostelsein zu wollen, beschrieb der 69-Jährige offen seinen Weg in den Alkoholismus. Im Klassenverband hatten die achten Klassen abschließend Gelegenheit, Fragen zu stellen. Dettmann appellierte an die Schüler, mit Freunden und Eltern im Gespräch zu bleiben, sich selbst wertzuschätzen und ihre Träume zu verwirklichen. Er setzt auf »starke Jugend - starke Zukunft«. Sts

Einbecker Morgenpost vom 27. Juni 2019
Foto: Stöckemann