Leidenschaftlich für einen Standpunkt streiten

02. November 2019

Lange Nacht der Debatte an der Paul-Gerhardt-Schule mit Polit-Prominenz | Die Macht der Worte
DASSEL. Sich selbst zu einem gesellschaftlich relevanten Thema eine klare Meinung bilden und diese mit stichhaltigen Argumenten vertreten - bei »Jugend debattiert« lernen Schüler genau das: sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen intensiv auseinanderzusetzen, die Argumente der Gegenseite zu hinterfragen und leidenschaftlich für einen Standpunkt zu streiten. Debattenkultur gab es bei der ersten »Langen Nacht der Debatte« an der Paul- Gerhardt-Schule reichlich, bei Schülerdebatten, einer Runde mit Politikern und der Saaldebatte mit Bundes- beziehungsweise Landesfinalisten von »Jugend debattiert«.
70 Jahre Grundgesetz, 30 Jahre Mauerfall und 18 Jahre »Jugend debattiert« nahm die PGS als Anlass, die Debatte als Herzstück der Demokratie in den Mittelpunkt zu rücken. Allerlei Polit-Prominenz wollte gern dabei sein: der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle, der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schraps, der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne, und die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon bezogen in einer Talk- Runde Stellung zur Bedeutung des Grundgesetzes, souverän moderiert von Constantin Tilman Schott, Europasieger von» Jugend forscht«. Einig waren sich die Politiker, dass die politische Debatte in der Schule sinnvoll sei. Sie ermutigten die Jugendlichen, sich einzumischen, und sie waren gespannt, ob die Fridays-for-future-Bewegung »auf der Straße bleibt oder sich in eine konstruktive Richtung bewegt«. Ein Appell ging in Richtung des weiblichen Geschlechts, sich einzumischen. Anfeindungen, so eine weitere Botschaft, gelte es entgegen zu treten, damit nicht verbale in physische Gewalt
umschlage.
An der PGS findet das Debattentraining in den Jahrgängen acht bis zehn statt. In drei Debattenrunden zeigten Schüler ihre Debattierkunst. Argumente - pro und kontra – wurden respektvoll ausgetauscht zu den Fragen, ob die PGS als Umweltschule jedes Jahr eine Baumpflanzaktion durchführen soll, ob im Lehrplan das Fach »Umwelt« eingeführt werden soll und ob das aktive Wahlrecht an die Teilnahme an ein Seminar zur politischen Bildung gekoppelt werden sollte. Die Schüler zeigten eindrucksvoll, was gute Debatten wirklich auszeichnet: starke Argumente, Fairness und Sachlichkeit.
In der Saaldebatte gingen die Bundes- und Landesfinalisten von »Jugend debattiert«, Johannes Gold, Natascha Kößl, Philipp Bergner und Hannah Dorset, auf die Frage ein, ob die Teilnahme an Demonstrationen während des Unterrichts künftig als Entschuldigungsgrund gelten soll.
Die kommissarische Schulleiterin Monika Fahrenbach unterstrich, dass Freiheit ein hoher Wert sei, im Grundgesetz an zweiter Stelle genannt werde. »In der Geschichte aber hat es oft an Freiheit und Würde gemangelt«, stellte sie fest und erinnerte an die deutsche Teilung, die für sie ein »Unding« war. Leben in Frieden und Freiheit sei einen »Sondereinsatz« wert, bekräftigte sie und erinnerte auch an die gewaltfreien Demonstrationen in der DDR, die zum Mauerfall geführt hatten. Die Paul-Gerhardt-Schule gebe der Meinungsfreiheit Raum, das Führen gelungener Streitgespräche sei gut lernbar im geschützten Rahmen, wo vieles ausprobiert werden könne, beispielsweise Gedanken treffend auszusprechen. Freiheit, Gerechtigkeit und Bildung hätten Martin Luther angetrieben, und so sei es Anliegen der PGS als christliche Schule, im »Chaos des Alltags« in den offenen Dialog zu treten.
Ansgar Kemmann, Leiter von »Jugend debattiert«, hob den Erfolg des Projekts heraus, das in vielen Ländern mittlerweile etabliert ist. Den politischen Prozess weiterzubringen, damit Ergebnisse erzielt werden können - dafür liefere die Kunst des Debattierens das Handwerkszeug.
»Debattieren ist strukturiertes Denken, unterstich Konstantin Kuhle in seiner Funktion als Schirmherr von »Jugend debattiert« an der PGS. Selbstreflektion und Respekt dem anderen gegenüber seien dabei inkludiert. Er appellierte an die Schüler, Debattenreden zu trainieren: »Wer übt, wird besser.«
Die Definition einer Debatte mache klar, dass es sie nur in einer freien Gesellschaft gibt, sagte Dassels Bürgermeister Gerhard Melching. Ziel sei es, durch Argumente zu überzeugen - was, wenn es nicht gelinge, »frustrierend« sei, räumte er ein. »Lernen Sie zu debattieren, aber nicht zu maßregeln und nicht zu hetzen, seien Sie vorsichtig in ihrer Wortwahl.« Wichtig sei, die »Macht der Worte« zu bedenken.
Eine schülereigene Ausstellung zum Mauerfall, Unterhaltung mit der Comedy Company aus Göttingen und segensreiche Worte des Schulpastors Torsten Wiegmann rundeten die »Lange Nacht der Debatte« ab. Fahrenbach dankte ihren Kolleginnen Hanna Holtemeyer, Dr. Annett Schulze und Ulrike Schwarz für die Organisation. Finanziell unterstützt wurde der Abend vom Evangelischen Schulbund Nord. Sts

Einbecker Morgenpost vom 2./3. November 2019

Fotos: Stöckemann