»Es kommt auf einen selber an«

06. Juni 2020

Ministerpräsident Stephan Weil informiert sich an der PGS über Schule in Zeiten von Corona
Fertiggestellt, aber nicht in Betrieb, weil zurzeit kein Sport unterrichtet wird: Für rund sechs Millionen Euro entstand an der Dasseler Paul-Gerhardt-Schule eine neue Turnhalle. Sportlehrer Patrick Grube (rechts) erläuterte Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen- Track, Ministerpräsident Stephan Weil, Schulleiterin Monika Fahrenbach und Kai Beddies vom Fünfer-Schülerrat den Neubau.

 

Schule in Zeiten von Corona, die Mobilität der Zukunft und der Klimaschutz – das waren die Themen, über die der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil mit dem Fünfer- Schülerrat diskutierte. Der Spitzenpolitiker besuchte die Paul-Gerhardt-Schule nicht zum ersten Mal, diesmal lernte er auch das Schulgelände kennen.

DASSEL. Mit einem fröhlichen »Läuft?« kam der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil in die Paul-Gerhardt-Schule, der »schönsten Schule hinter den sieben Bergen«, wie Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track feststellte. Sie ist die zuständige Dezernentin, Trägerin der Schule ist die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers.
Thema zunächst war die Digitalisierung. Dass die PGS frühzeitig auf Digitalisierung gesetzt habe, wie die Lehrkräfte Birgit Wüte und Martin Spiegel unterstrichen, habe sich in der Corona-Krise ausgezahlt. »Wir hatten einen riesigen Vorsprung beim Homeschooling«, so Witte. Ziel der Schule ist es, neben der Entwicklung technischer und verarbeitender Fertigkeiten zu einem reflektierten und kritischen Umgang mit digitalen Medien beizutragen, sagte Spiegel. Dies soll an der PGS nicht nur durch Laptop- und iPad-gestützten Unterricht realisiert werden, sondern auch durch ein übergreifendes Medienkonzept. Im Mittelpunkt dessen stehen dabei Aspekte wie Multimedialität in Schule und Alltag, Rechte und Pflichten im Umgang mit Medien sowie Kreativität. Schüler sollen nicht allein Inhalte in multimedialer Form bearbeiten, sondern darüber hinaus auch eigene multimediale Formate erstellen beziehungsweise Inhalte multimedial darstellen und präsentieren. Dies erfordert kritische, sachgerechte und selbstbestimmte Handlungsmuster, um Informationen im Rahmen vorhandener technischer Möglichkeiten angemessen verarbeiten zu können. Darüber hinaus geht es auch darum, die Manipulationsgefahren wie durch Fake News zu erkennen und den eigenen Meinungsbildungsprozess vor dem Hintergrund der Nutzung unterschiedlicher Medien kritisch zu hinterfragen. »Digitale Mündigkeit« sei hier das Schlagwort.
Die Paul-Gerhardt-Schule gehört zu den Schulen, die den Titel » Umweltschule in Europa« trägt - und das seit mittlerweile vielen Jahren. Die Umweltbildung gilt somit als ein zentrales pädagogisches Anliegen. Beim Gang über das Schulgelände zeigte Lehrkraft Dagmar Schmidt die Ergebnisse vieler Projekte aus den vergangenen Jahren: beispielsweise die Fischtreppe. Schulwald, Imkerei oder Tierhotel sind weitere Zeugen des umweltlichen Engagements.
Lehrkraft Patrick Grube stellte die neue Sporthalle vor. Auf dem Schulgelände ist die Zweifeld-Halle gerade entstanden, genutzt werden kann sie wegen der Einschränkungen der Pandemie derzeit nicht. Sport soll aktivieren, motivieren und Freude bereiten, so Grube.

Ministerpräsident Weil war besonders an der Schülermeinung interessiert. Der Fünfer-Schülerrat der Schule stand Rede und Antwort. In der Arbeitstechnik am Computer hätten die PG-ler eine »gute Grundausbildung« erhalten, unterstrich Kai Beddies vom Fünfer-Schülerrat. In Zeiten des Shutdowns habe man sich selbst organisieren müssen, und da sei es fachabhängig gewesen, ob man mehr oder weniger gelernt habe, sagte er. Schüler Constantin Schott vertrat die Meinung, dass man sich mehr fokussiert habe. »Es kommt also auf einen selber an«, fasste der Ministerpräsident zusammen. Die Beziehungsarbeit, die Lehrer leisten, sei essentiell, fügte Lehrer Martin Spiegel an.
»Pädagogisch aus der Kreidezeit« stammend fragte der Spitzenpolitiker die Schüler, wie sich die Corona-Krise auf ihre Generation wohl auswirken werde. Die Schüler sagten, dass im ländlichen Raum die Freizeit trotz der geltenden Einschränkungen gut genutzt werden konnte, man aber auch gemerkt habe, dass schulfreie Zeit nicht mit Freizeit gleichzusetzen gewesen sei. Nicht alle hätten sich disziplinieren können und sich den geforderten Lernstoff beigebracht. Schlussfolgerung sei, dass man den Schülern beibringen müsse, wie sie auch allein klar kommen können. Man müsse lernen selbstständiger zu werden und sich zu fokussieren. Sicher sind sich die Schüler, dass die »Corona-Zeit einiges gekostet habe«. Die Internet-Verbindungen im ländlichen Bereich seien durchaus verbesserungswürdig, wurde kritisch angemerkt. Die derzeitige Schulleiterin Monika Fahrenbach stellte fest, dass das konzeptionelle Arbeiten zuhause nicht einfach gewesen sei. Und für Transferleistungen brauche es Gemeinschaft.
Im Zuge der Corona-Krise waren natürlich auch die geschnürten Rettungspakete Thema: Dass gerettete Unternehmen auch Steuern zahlen, machte Weil deutlich. Elektro-Mobilität und Auto-Prämien, aber auch Klimaschutz waren weitere Themen, bei denen Weil Interesse an der Meinung der Schüler hatte. Bei der Auto-Prämie wollte er den Zuschuss an den CO2- Ausstoß koppeln. An diesem Industriezweig hängen viele Zulieferbetriebe, machte er deutlich.
Die Debattier-Kultur der Paul-Gerhardt-Schule wurde am Rande angesprochen. Fahrenbach machte auf die im vergangenen Jahr erstmals organisierte »Lange Nacht der Debatten« aufmerksam und wünschte sich, dass der Ministerpräsident diese besucht. Und Beim Besuch der Paul-Gerhardt-Schule kamen die Hahnemühle-Mund-Nasenmasken ebenfalls zum Einsatz. sts

Einbecker Morgenpost vom 06./07. Juni 2020
Fotos: Stöckemann